Über die tiefsten Gefühle zu sprechen, ist anfangs schwierig – Interview in der LNP mit Michaela Hübner

23.04.2020

Konflikte belasten, oft fühlen sich Menschen allein mit ihnen. Die Ehe-, Familien- und Lebensberatung (EFL) des Bistums Passau will unterstützen. Seit über einem Jahr ist sie auch in Landau vertreten. Im Gespräch mit der LNP erklärt Diplom-Psychologin Michaela Hübner, warum schon ein Telefonat in Zeiten der Unsicherheit hilft.

Frau Hübner, was für ein Angebot ist die Ehe-, Familien- und Lebensberatung genau?

Michaela Hübner: Die Ehe-, Familien- und Lebensberatung (EFL) ist ein psychologischer Beratungsdienst, der Menschen in schwierigen Situationen begleitet und ihnen hilft, mit Problemen in Partnerschaft, Ehe und Familie oder bei persönlichen Lebensthemen besser zurecht zu kommen. Das Angebot ist offen für alle, unabhängig von weltanschaulicher und sexueller Orientierung, Herkunft, Religion und Alter. Es wird kostenfrei angeboten, alle Berater stehen unter Schweigepflicht.

Wie wird dieser Dienst finanziert?

Hübner: Das Bistum Passau finanziert uns zu 80 Prozent, der Freistaat und die Landkreise zu etwa 20 Prozent. Das Bistum bietet den psychologischen Fachdienst seit über 50 Jahren und bereits an neun Beratungsstellen an.

Mit welchem Ansatz versuchen Sie, Menschen zu helfen?

Hübner: In der Ausbildung werden verschiedene psychologische Richtungen gelehrt, um jedem Menschen in seinem persönlichen Weg gerecht zu werden. Dabei spielt die Psychologie der Bindung eine immer größere Rolle. Die EFL-Beratungszentren Passau und Altötting haben unter der Gesamtleitung von Helmut Höfl in den letzten fünf Jahren eine neue, sehr wirksame Arbeit mit Paaren etabliert: die Emotionsfokussierte Paartherapie. Sie hat die sichere Bindung zwischen Partnern im Blick, die Regulation ihrer Emotionen und eine feinfühlige Kommunikation. Hierdurch wird Verständnis für die immer wiederkehrenden Teufelskreise in der Paarbeziehung gewonnen und es können Lösungen und Veränderungen bewirkt werden.

Welche Angebote des EFL gibt es in Landau und Umkreis?

Hübner: Hier in Landau biete ich eine psychologische Beratung für Einzelpersonen, Paare und Familien an, die eine Begleitung bei Problemen und Konflikten möchten. Mein Plan ist, ein zweitägiges Seminar zum Thema Bindungssicherheit bei Paaren anzubieten. Gerade wird das neu konzipierte Programm "FamShip", ein ganz aktuelles Elterncoaching, erprobt und verbreitet. Es nimmt die Herausforderungen der sozialen Medien und des Internets auf. Wir werden es sicher kommendes Jahr auch in dieser Region anbieten.

Wie reagiert die EFL auf die aktuelle Corona-Krise?

Hübner: In den stürmischen Zeiten der Corona-Krise bleibt das Beratungsangebot trotz der Ausgangsbeschränkungen bestehen. Die neun Beratungsstellen sind derzeit für den Publikumsverkehr geschlossen. Es gibt aber die Möglichkeit der Telefon- und Online-Beratung oder Video-Tools.

Wie genau kann die Beratung gerade in Corona-Zeiten helfen?

Hübner: Telefonische Erstkontakte können in diesen Zeiten der Verunsicherung eine Orientierung geben. Sie können den Menschen helfen, aus einer möglichen Fixierung auf die Bedrohung durch die Erkrankung oder die wirtschaftlichen Folgen herauszukommen. Für Paare, die sich in einem strittigen Kreislauf verfangen haben, können Impulse von außen helfen, daraus auszusteigen und den Partner wieder in seiner Ganzheit und möglichen Bedürftigkeit zu sehen. Und nicht zu vergessen: In jeder Krise liegt auch eine Chance! Durch die viele Zeit, die wir miteinander verbringen, die Gespräche und Spaziergänge, können wir uns wieder neu kennenlernen und die Kraft unserer Familie, das Band, das uns verbindet, wieder spüren.

Wie läuft der Kontakt über die EFL in der Regel ab?

Hübner: In einem Erstgespräch wird das Anliegen des Klienten oder des Paares besprochen und überlegt, ob die EFL für das Problem der passende Ansprechpartner ist. Die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen verläuft je nach Kontext. Es geht darum, seine Beziehung und sich aus einem neuen Blickwinkel anzuschauen und Lösungsmöglichkeiten zu finden. Die Selbstaktivierung und Eigenverantwortung kann dadurch wieder in Fluss kommen. In der Emotionsfokussierten Therapie liegt der Schwerpunkt unter anderem auf den dahinterliegenden Gefühlen, die man normalerweise gut verschlossen hält. Im Beratungsprozess dürfen diese Gefühle an die Oberfläche kommen, gespürt und ausgesprochen werden und sich so verändern.

Wie wird das Angebot in Landau bisher angenommen?

Hübner: Das Angebot wird gut genutzt. Vor allem die Termine ab 16 Uhr sind für Paare, die arbeiten, sehr gefragt. Da viele Beratungen auch längerfristig ablaufen, etwa ein halbes bis ein Jahr, gibt es für diese Termine schon Wartezeiten. Der erste Schritt, sich einer fremden Person zu öffnen, über die tiefsten Gefühle von Schwäche und Angst zu sprechen, ist anfangs schwierig. Durch die absolute Schweigepflicht, der wir Berater unterliegen, können sich die Klienten jedoch sicher fühlen, dass das Beratungszimmer ein geschützter Raum ist.

Das Interview führte Corinna Mühlehner. Anmeldung bei der EFL ist täglich möglich zwischen 8.30 und 12.30 Uhr im Sekretariat des EFL-Regionalzentrums Passau unter 0851/34337 oder per E-Mail unter passau@efl-passau.de. Beratungstermine in Landau finden am Montag von 13 bis 19.30 Uhr statt.


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