5 Jahre Paar- und Familienmediation der EFL im Bistum Passau

26.07.2021

5 Jahre Mediation an der EFLB Diözese Passau
Eindrücke und Ausblick

Seit Juni 2016 gibt es an drei Stellen der EFLB in der Diözese Passau ein Mediationsangebot für Paare und Familien (MPF) (Passau, Burghausen, Regen). Die Stelle ist eine Halbtagsstelle, seit Juli dieses Jahres kann das Stundenkontingent auf zwei Personen verteilt werden (Daniela Albrecht und Dr. Gabriele Pinkl)

Damit wollen wir Menschen in ihren Beziehungen und Konflikten ein Angebot der Unterstützung geben, wie sie ihre Konflikte konstruktiv regeln können. Wir haben die Lösungen nicht, aber begleiten mit diesem qualifizierten Beratungsangebot Menschen darin, Lösungen zu finden, sind bereit, uns mit ihnen auf die Suche nach guten Lösungen zu machen. Dafür stellen wir Personal, (geschützte) Räume und Zeit zur Verfügung, sowie unser Wissen und unsere Erfahrung, vor allem aber auch eine klare ethische Haltung.
Schwerpunkte der Mediation sind Begleitung von Eltern, die getrennt leben, die unterschiedlichen Konflikte zu Fragen der gemeinsamen Erziehung konstruktiv zu besprechen und auszuhandeln. Damit wollen wir vor allem die Kinder entlasten, die bei ungelösten Konflikten der Eltern in Loyalitätsfallen geraten, wem der Eltern sie nun folgen sollen. Das belastet die gesamte Familie, vor allem aber die Kinder, die eine Verantwortung übernehmen müssen, die ihnen nicht zusteht und sie überfordert. Mit dem Mediationsangebot wollen wir die Eltern begleiten, dass sie zu guten Regelungen der getrennten-gemeinsamen Erziehung kommen können, die für alle Beteiligten Klarheit und somit Sicherheit schafft. Und wir wollen unterstützen, dass Eltern in ihre Eltern-Verantwortung gehen (können) und diese nicht abschieben, weil sie sich damit überfordert fühlen. Ich beobachte, dass viele Eltern, aus Angst davor, sich den Bedürfnissen ihrer Kinder klar zu stellen, auf Erziehung bzw. Regeln verzichten. Das lässt die Kinder in einer überfordernden Unsicherheitssituation, die sie dann für sich und die Eltern zu regeln versuchen. Diese Konfliktsituationen entstehen nicht durch die Trennung der Eltern, sondern werden durch die Trennung der Eltern sichtbarer und deutlicher. Manchmal ist es so, dass es für die Kinder eine Entlastung ist, wenn Eltern sich trennen, ihnen die Paarkonflikte ersparen und getrennt versuchen für die Kinder da zu sein. Ich habe nicht nur einmal Kinder sagen hören, dass es, seit die Eltern sich getrennt haben und klare Regeln gefunden haben, wie der Kontakt zu den Kindern gestaltet wird, für die Kinder besser, entlastend und ruhiger wird. Das ist ein trauriger aber klarer Befund.
In den letzten 5 Jahren haben wir mit diesem Angebot erreichen können, dass dies für Familien wieder besser möglich ist. Indikatoren dafür sind, dass Eltern anderen Eltern dieses Angebot als hilfreich empfehlen, dass Familiengerichte und Jugendämter auf unser Angebot hinweisen, bzw. dies den Eltern dringlich empfehlen (nicht anordnen, denn Mediation kann immer nur freiwillig sein).
Die Zahlen der Mediationsfälle an unseren Stellen hat deutlich zugenommen, worüber wir uns freuen und worauf wir stolz sind. Und damit das ganz klar ist: Wir freuen uns nicht daran, dass Eltern und Familien Konflikte haben, sondern wir haben Freude daran, dass wir beitragen können, die Not und das Leid, das aus ungeklärten Konflikten entsteht, lindern zu können. Die Konflikte haben die Familien ja bereits, die schaffen wir nicht mit unserem Angebot. Aber wir können mit unserem qualifizierten Angebot helfen, dass Menschen wieder selber in die Lage kommen, ihr Leben gut zu gestalten.
Als Mediatorin bin ich dankbar für die Ressourcen, die uns die Diözese dafür zur Verfügung stellt: Räume, in denen Eltern getrennt beraten werden können, wenn es in einem Raum zu eng wird. An den Außenstellen, an denen wir nur einen einzigen Beratungsraum zur Verfügung haben, ist Mediation nicht realisierbar. Viele Eltern kommen in hochstrittigen Konstellationen, die Gesprächstemperatur ist meist ziemlich hoch, bis heiß. Wir können mit getrennten Räumen ausreichend Schutz anbieten, dass diese Emotionen nicht schädlich unmittelbar auf die andere Person treffen – letztlich ist das eine Bedingung, dass die „Würde der Menschen“ nicht angegriffen wird und das ein „gewaltfreies Arbeiten“ möglich ist.

Ein weiterer Schwerpunkt hat sich in der Mediation von Familien herausgestellt, die in heftige Konflikte darüber geraten, wie ältere und pflegebedürftige Menschen am besten begleitet und unterstützt werden. Wenn mehrere Kinder da sind, wie kann Pflege organisiert werden, wie wird man den Bedürfnissen der zu pflegenden Person gerecht und wie kann man das als Familie emotional und organisatorisch gestalten.

Mir fällt immer wieder auf, dass die Konflikte deshalb so hart sind, so hocheskaliert, weil es den Menschen wirklich um etwas ganz Wichtiges und Wertvolles geht, um ihre Kinder und um Familienangehörige. Menschen streiten bei uns nicht um unwichtige Sachen, sondern letztlich um Werte, die ihnen so wertvoll sind, dass ihre Preisgabe unmöglich scheint. In der Mediation kann es gelingen, eine Verbindung herzustellen, dass es den Konfliktparteien um etwas ganz Wichtiges, um ganz wichtige Personen in ihrem Leben geht und von dieser Verbindung her neu nach Strategien zu suchen, wie ein Zusammenleben (auch getrennt) wieder gut möglich ist.
Dazu bieten wir Beratungszeiten an, die auch angenommen werden können. Abende und auch der Samstag ist für Mediation möglich. Wenn 4 erwachsene Kinder mit ihren PartnerInnen sich treffen, um über Pflege ihrer Eltern zu reden, dann müssen sie oft weit anreisen, sie müssen sich Urlaub nehmen. Ich habe eine Familie begleitet, die aus drei Kontinenten zusammengekommen ist, um über die Betreuung einer psychisch kranken Schwester zu reden und was gemeinsam zu tun ist. Da sind flexible Arbeitszeiten unbedingt erforderlich. Diese Familie war zutiefst christlich geprägt, aber sie haben niemanden gefunden, der mit ihnen zu Zeiten arbeiten konnte /wollte, die für sie alle möglich war. Und hier war auch hilfreich, dass wir das Angebot kostenlos geben konnten, denn alle Beteiligten haben bereits viel Zeit und Geld investiert, um überhaupt hier sein zu können.

Ich verstehe diesen Auftrag, den wir als Kirche hier machen als zutiefst christlich – wir dienen Menschen auf dem Weg zum Heil, wir stellen uns mit unseren Ressourcen zur Verfügung, damit es für diese Familie wieder heil werden kann. Mediation erlebe ich als Einsatz für Menschenrechte, vor allem auch für die Kinderrechte. Wenn wir in der Mediation von Bedürfnissen reden, dann nicht im Sinne von Befindlichkeiten, die Menschen gerne hätten, sondern von existentiell notwendigen Bedürfnissen, die befriedigt werden müssen, weil sie unser Leben sonst krank und unheil machen. Wer bezweifelt, ob wir wirklich solche Angebote machen, oder erst Bedürfnisse von Menschen schaffen, die wir dann befriedigen wollen, wie seit vielen Jahren immer wieder auch kritisiert wird, verkennt, dass es uns als Christen um die Befreiung von Menschen aus ihrer Not gehen muss, um die Verkündigung einer froh- und freimachenden Botschaft Gottes, der uns, auch in dieser Welt, befreien will aus jeglicher Not. Und er fragt nicht, ob wir uns selbst in Not gebracht haben oder unschuldige Opfer von Umständen sind – sondern will uns zur Vollkommenheit führen. Gott und den Menschen nahe – oder Gott in den Menschen – als seine Ebenbilder – nahe.
Auch wir fragen an den Beratungsstellen nicht, ob Menschen sich aus Unwissenheit, Leichtsinn in diese Lage gebracht haben, oder Opfer der Umstände sind – zu uns dürfen alle kommen. Und dann arbeiten wir daran, dass es besser werden darf – auch im Vertrauen auf den Segen Gottes über unserem Tun. In diesem Sinne ist Beratung und Mediation in kirchlichen Einrichtungen immer auch Diakonat und für alle, die wir diese Arbeit hier tun, tiefe Überzeugung und Berufung zu diesem Dienst.
Mich leitet das Gleichnis vom Samariter: viele sind vorbeigegangen und haben nicht geholfen, weil sie meinten, etwas Wichtigeres tun zu müssen, oder weil sie die Not des Leidenden nicht erkennen konnten oder wollten. Unsere Wirksamkeit in der christlichen Botschaft werden wir nicht in schönen Worten erreichen, sondern nur im konkreten Tun und Handeln. Wenn wir der Not der Menschen nicht konkret und tatkräftig mit eigenem Handeln begegnen, werden unsere Worte hohle Phrasen bleiben, die uns die Menschen nicht mehr abnehmen, sondern in ihrer Leere erkennen – dabei warten viele in der Welt auf eine überzeugende Ethik, wie wir sie als Christen anzubieten haben.

Dr. Gabriele Pinkl 8. Juli 2021